Februar 2020
Am 19. Februar 2020 erreicht mich die
Anfrage eines Imkers aus Herne (NRW), der sich im Schreiben beklagt,
dass Wespen bereits seit dem Herbst 2019, über den ganzen Winter
hinweg, bis zum heutigen Tag seine Bienenbeuten anfliegen und dort
neben dem Winterfutter auch Bienen erbeuten und so die Bienenvölker
schädigen.
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Die Aufnahmen des Imkers vom 24.02.20 zeigen
die Arbeiterin einer Deutschen Wespe (Vespula germanica), welche lebend
aus der Bienenbeute abgefangen wurde.
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Bei der Verfolgung des regen Flugverkehrs
aus seinem Bienenstock konnte der Imker tatsächlich, 70 Meter von seinen
Bienen entfernt, einen unterirdischen Nesteingang an einem Bahndamm
entdecken.
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Film vom 21.02.20 - Temperatur unter
10 Grad - massiver Flugverkehr zu beobachten
Video 6,26 MB - Länge: 00:00:24
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März 2020
Am 03.03.20 war auf Einladung des Imkers,
Thomas Papritz vor Ort, um sich und uns einen persönlichen Eindruck über
die Aussagen und die Lage zu verschaffen:
Der Standort
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Ca. 70 Meter von den Bienenbeuten
des Imkers entfernt, unterhalb eines Bahndamms,
befindet sich der Nesteingang zum
unterirdischen Nest der Deutschen Wespe. |
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Der Nesteingang wird massiv
beflogen. Eine Flugfrequenz von ca. 70 An- und Abflügen in der
Minute,
erinnern an den Flugbetrieb eines
Wespennestes im Sommer.
Die Lufttemperatur beträgt 10
Grad. |
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Film vom 03.03.20 - Temperatur ca.
10 Grad - Flugverkehr am Nesteingang
Video 10,4 MB - Länge: 00:00:52
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Aufnahmen an der Bienenbeute
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Ständig kann man Wespen An- und Abflüge am
Flugbrett der Bienenbeute erkennen.
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Im "Gemüll" findet
man viele Beine, Flügel und andere Extremitäten von Bienen.
Auch hier, eine
zuvor lebend abgefangene Deutsche Wespe |
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Zu dieser Beobachtung stellen sich folgende
Fragen:
- Kann es sein, dass Wespen bei milden
Wintern ganzjährig vorkommen?
- Ist Ihnen solch ein Ereignis schon
einmal n Deutschland gemeldet worden?
- Kann es tatsächlich sein, dass ein
Wespenvolk den Winter überlebt?
Was sagen die Experten zu dem Phänomen eines
"mehrjährigen" Nestes und zu dieser Entdeckung:
Rolf Witt
Autor des Buches " Wespen":
Die Beobachtung ist
sehr interessant.
Vor allem, weil ich gerade eine ähnliche Beobachtung gemacht habe. Ein
Imker aus dem Raum Stade hatte sich im januar gemeldet, dass dort noch
"Wespen" aktiv seien.
Es war dann ein Volk der Deutschen Wespe. Dort konnten im Januar sogar
noch direkt Begattungen beobachtet werden. Anfang Februar wurde das Nest
(auf einer Wiese ohne besondere Wärmequellen) dann aus Neugier
ausgegraben. Die Aktivität hatte dann merklich nachgelassen.
Trotzdem werden die Völker jetzt sicher nicht ganzjährig vorkommen. Ich
denke, dass wird auf Einzelfälle beschränkt bleiben, da vor allem die
Nahrungssituation oft schlecht ist (das oben genannte Volk holte sich z.
B. einiges aus den Honigbienenbeuten). Auch in Südeuropa leben die
Königinnen nicht über zwei Jahre, aber es kann einen verschobenen
Generationswechsel im kleinen Stil geben.
Volker Mauss
Wespenforscher und Verfasser zahlreicher Fachschriften:
Das
Phänomen überwinternder Völker ist von Vespula germanica bekannt. Es
wurde sehr vereinzelt im Mittelmeergebiet beschrieben und auch aus
Kalifornien gemeldet (wo V. germanica eingeschleppt wurde).
Besonders auffällig ist es in ebenfalls eingeschleppten Populationen in
Neu-Guinea.
Typisch für überwinternde Kolonien wäre, dass sie polygyn werden, d.h.
es sind junge Königinnen im Nest, die sich tolerieren und im kommenden
Frühjahr gemeinsam weiter im Nest leben und Nachkommen erzeugen. Dadurch
können dann zum Teil sehr große Kolonien entstehen.
Es wäre sehr interessant zu verfolgen, ob das auch bei dem Nest in Herne
passiert. Dafür müsste man ihm natürlich Zeit zur weiteren Entwicklung
geben...
Somit
wäre es interessant, ob das Nest aus Herne die Saison 2020 komplett
durchlebt.
Da die Wespen Eiweißreiche Kost in das Nest getragen hatten, wäre
es interessant, ob auch im Winter Brut aufgezogen wurde. Das würde
bedeuten, dass eine/mehrere Königin/nen im Nest Eier legen.
Sollte es sich bewahrheiten, dass das Wespennest auch die Saison
2020 durchläuft, so wäre dies die erste dokumentierte Entdeckung, also ein Erstfund in
Deutschland, über ein mehrjähriges Nest der Deutschen Wespe.
Anfang April meldet sich der Imker wieder.
Das Nest wäre immens gewachsen, der
Flugverkehr hat stark zugenommen, zwei Bienenvölker wären zum erliegen
gekommen und seine Frau sei allergisch!
Daraufhin
wurde das Wespenvolk vernichtet ...
Aufnahmen:
Thomas Papritz (c) 2020
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