Ernte im Kleefeld

Als Ende Mai ein dem Nest benachbartes Kleefeld erblüht, schwelgt die Hummelfamilie im Überfluß. Sie zählt schon mehrere Dutzend Helferinnen, darunter auch kräftigere Gestalten. Es ist Hochbetrieb im Nest und draußen; denn der in den tiefen Kelchen der Rotkleeblüten verborgene Nektar gehört den Hummeln fast ganz allein. Abgesehen von den Schmetterlingen besitzen allein die Hummeln entsprechend lange Rüssel, um den Schatz der Kleeblüten heben zu können. Der Rotkleenektar liegt um etwa einen Millimeter zu tief für die Rüssel anderer Insekten, besonders der Bienenvölker, die sonst recht oft bei ihren Ernten im Wettbewerb mit den Hummeln stehen.

Nicht nur Bombinas Familie ist herbeigeeilt; auch alle Erdhummeln aus der weiteren Umgebung, auch Stein-, Garten-, Moos-, Wald- und Wiesenhummeln, soweit diese Pelzträger im Umkreis von zwei Kilometern behaust sind, tummeln sich jetzt am Rotklee, dieser wertvollen Futterpflanze, die über manche Umwege auch uns mit Fleisch und Milch versorgt. Das wäre freilich ohne Hummeln nicht möglich.

Bei Sonnenschein leuchten aus dem grünen Meer der Kleeblätter purpurn Millionen von Blüten. Ein buntes Bild, ergänzt durch die farbenfrohen Schwingen der Falter und die vielfarbenen Pelze der Hummeln. Grillenmännchen fiedeln auf ihren Kratzzithern, und das tiefe Gesumm der sammelnden Hummeln liefert den Kontrabaß dazu.

Unhörbar und so gut wie unsichtbar bleibt jedoch das emsige Geschehen, das sich, solange die Sonne leuchtet, zu jeder Sekunde an Tausenden dieser Blüten abspielt: das Heben und Senken unzähliger Staubfäden und Blütenblätter, das Leeren aller Blütenkelche, das unausgesetzte Anheften der Blütenpollen am Körper der Gäste, das fortwährende Abstreifen der Pollen an den Stempeln anderer Blüten, all die heimlichen ineinandergreifenden Vorgänge, die hier unausgesetzt und tausendfach zugleich geschehen. All das bleibt unseren Augen mehr oder weniger verborgen. Es ist ein fröhliches, unaufhörliches Beschenken allerseits, ohne feige Hinterlist, ohne brutale Gewalt. Freilich, ganz vollkommen ist auch diese Traumwelt nicht. Da und dort weben Spinnen ihre Netze, andere lauern gut getarnt auf den Blüten nach Opfern, und auch die Vögel holen sich ihre Beute. Immerhin, im Vergleich zu dem Nützlichen und Guten, das hier geschieht, ist das Üble gering.

Die Hummeln tragen bei ihrer Heimkehr dunkelgrüne Höschen an den Hinterbeinen, entsprechend der Farbe des Rotkleepollens. Die Staubfäden dieser Pflanzen streifen den Pollen am Bauch des Gastes ab, und was dort hängenbleibt und nicht in die Körbchen gebürstet wird, streifen die Hummeln dann an anderen Rotkleeblüten, und zwar an ihren Fruchtknoten ab. Andere Blüten suchen sich andere Stellen zum Abstreifen aus, je nach dem Blütenmechanismus. Taubnesseln und Schwertlilien pappen ihren Besuchern den Pollen auf die Stirnen, der Salbei stubst ihn auf den Rücken, das Knabenkraut an den Kopf, die Seidenpflanze klemmt ihn an die Beine; die einzelnen Blütengattungen haben ganz verschiedene Methoden, die immer zuverlässig funktionieren.

Auch Honig gibt es jetzt genug im Hummelnest, neue Vorratstönnchen werden aufgestellt, um den Segen zu fassen. So an die zehn Gramm mögen wohl täglich von Larven und Hummeln verzehrt werden, und das scheint nicht viel zu sein. Doch diese geringe Menge muß sich Bombinas Familie täglich aus sechzigtausend Blüten einsammeln; so hat jede Hummel täglich tausend Kelche zu leeren und noch mehr, denn auch für Regentage gilt es zu sorgen. Eine beachtliche Leistung, zumal das fortgesetzte Eintragen von Blütenstaub und die im Nest notwendigen Arbeiten hinzukommen.

 

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